Hoch leben die Blitzermelder…

Ja, das Radio, es erfüllt tadellos seinen Auftrag. Es dudelt uns mit Musik voll von früh bis spät ohne dabei kritisch zu sein, klatscht uns alle fünfzehn Minuten die nahezu propagandistische Stationskennung ins Gesicht und nervt mit überzogenem Lokalpatriotismus: „Der beste Verkehrsfunk für Hedwig-Holzbein!“ Jaja, da ja alle auf die gleichen Daten zugreifen – öffentlich-rechtliche wie private – sind solche Unterschiede durchaus erklärbar. Wenn man bloß nicht ständig den Eindruck hätte, die Moderatoren säßen im Studio und könnten sich ein Losprusten vor Lachen ob der Dummheit der Hörermehrheit nicht verkneifen…

Ach ja, und dann sind da noch die Blitzermelder. Erst mal Hut ab vor denen, die sich so vom Straßenverkehr ablenken (lassen), dass sie eine solche mobile Geschwindigkeitsüberwachung am Fahrbahnrand erkennen. Und noch mehr verneige ich mich vor der geistigen Höchstleistung, diese dann ans Radio zu melden, während der Fahrt mit dem Handy am Ohr!

Der Nutzwert ist eindeutig: die rasenden Idioten wissen ganz genau, wo sie sich für ein paar hundert Meter im Straßenverkehr benehmen müssen und wo nicht mehr. Ja, das hat doch mal Sinn und Verstand, oder nicht? Ich meine, schließlich leben wir in einer Informationsgesellschaft, in der Informationen nur so fließen sollen, ohne auch nur im Geringsten über sein eigenes Handeln nachdenken zu müssen. Ja, es ist schon eine glorreiche Zeit, in der wir leben.

Und auch die Radiosender reihen sich in die Verantwortungslosigkeit ihrer Hörerschaft ein, gleichsam ohne auch nur einen Hauch darüber nachzudenken, was sie da eigentlich tun. Jeder motorisierte Depp kann so der Schmach eines Ordnungsgeldes oder, schlimmer noch, Punkten in Flensburg entgehen, auch wenn er sich zu 99% seiner Teilnahme am Straßenverkehr hemmungslos daneben benimmt.

Auch die Argumentation, warum man einen solchen Schwachsinn über das Radio verteilt ist bar jeden Verstandes: Der Straßenverkehr soll sicherer werden. Boah, sehr gut, das ist mal ein hehres Ziel. Wir belassen also die geistig Verwirrten, die nicht in der Lage sind, die runden, rotumrandeten Verkehrsschilder mit den Zahlen in der Mitte, zu lesen, ungestört unter uns verweilen, bis sie den nächsten Fußgänger oder Radfahrer umnieten oder sich unter einen Lkw semmeln. Ja, irgendwas muss die Polizei ja schließlich auch zu tun haben. Oder etwa nicht? Bedenklich nur, dass gut 25 % der Unfälle mit Personenschaden und 50 % aller Unfälle mit Todesfolgen auf zu hohe Geschwindigkeit zurück zu führen sind.

Naja, jeder, der zu schnell unterwegs ist bremst wohl instinktiv, wenn er so einen Blitzer am Straßenrand erkennt. Selbst wer strich erlaubte Höchstgeschwindigkeit fährt nimmt den Fuß vom Gas. Bei den Bremsern nützt das bloß meistens nix – sie erkennen den „Kojak“ und sein „Kino“ zu spät und rasseln in die Messung hinein. Gut, schön, das Ordnungs- oder Verwarngeld fällt nicht mehr ganz so hoch aus und man schrammelt so gerade eben noch an einem Punkt beim KBA vorbei, aber immerhin werden sie ja dennoch erwischt. Doch führt das zur Sühne? Nö, nicht wirklich. Da wird dann meistens über Wegelagerei geschimpft und „Bullenschweine“ Richtung Rückspiegel gebrüllt. Bringt’s was? Nein!

Immer noch nicht verstanden habe ich jedoch, warum vor den Blitzern gewarnt wird. Vor einigen Jahren habe ich mal bei einem Rundfunksender angefragt, warum man die Standorte von Blitzern bekannt gibt. Die Antwort, die ich dankenswerter Weise erhalten habe, lautete sinngemäß so: „Viele treten unmittelbar auf die Bremse, wenn sie einen Blitzer sehen. Die Gefahr von Auffahrunfällen steigt. Um dieses Gefahrenpotenzial drastisch zu mindern geben wir bekannt, an welchen Streckenabschnitten Geschwindigkeitsüberwachungen durchgeführt werden. So können die Verkehrsteilnehmer schon deutlich vorher ihre Fahrt vermindern und es kommt zu weniger Unfällen.“

Mal ganz ehrlich, diese Argumentation könnte aus dem Anhalter durch die Galaxis stammen, verfasst von einem Digitaluhrträger nach zwei Pangalaktischen Donnergurglern. So viel grober Unfug in nur wenigen Zeilen ist mir bis dato noch nie untergekommen! Denn, erstens, würde sich jeder an die zulässige Höchstgeschwindigkeit der jeweiligen Strecke halten müsste auch niemand mit Schmackes in die Bremsen steigen. Dann würde nämlich auch niemand wem anders hinten drauf kacheln – und zwar aus zwei Gründen: Zunächst mal weil der entsprechende Sicherheitsabstand eingehalten und auf der anderen Seite vernünftig und nicht zu schnell gefahren wurde. Sind diese beiden Umstände erfüllt kann jeder Trottel so in die Eisen steigen wie er will, der Hintermann hat genügend Zeit den Fuß vom Gas zu nehmen und selber die Bremse zu betätigen.

Anstatt aber die zu bestrafen, die sich nicht im Sinne einer gemeinsamen Teilnahme am Straßenverkehr beherrschen wollen, weil sie ihre eigene Straßenverkehrsordnung unterm Beifahrersitz mit sich führen, werden diese auch noch davor gewarnt: „An der Stelle wird Dein unrechtmäßiges Treiben bestraft, sei also ausnahmsweise mal vernünftig.“ Und so passiert der Verkehrsrowdy den vermeintlichen Gefahrenherd, kachelt nur wenige hundert Meter weiter vergnügt mit 70 Sachen an einem Schulhof vorbei und fährt dort einen Erstklässler über den Haufen, den er wegen zu hoher Geschwindigkeit einfach nicht früher sehen konnte. Vielen Danke, liebes Radio!