Am Anfang…
Die Tage meiner Kindheit in Kevelaer waren immer beschaulich gewesen. Wie jedes andere Kind auch tobte ich durch den Garten meiner Eltern oder durch die Straßen der Nachbarschaft, spielte mit Matchbox-Autos, wie es damals halt so üblich war. Es gab ja noch keine PCs, keine Gameboys oder Smartphones. Aber ich war auch schon früh an technischen Dingen interessiert. Nein, nicht dass ich bereits mit vier Jahren meinen Physikbaukasten gehabt hätte, das nicht, aber mich interessierten zum Beispiel schon früh Fernseher und Radio; als Geräte wohlgemerkt. Als ich klein war gab es nur drei deutsche TV-Programme, die wir empfangen konnten und dazu noch zwei holländische. Alles noch über die gute alte Antenne!
Wir Kinder waren auch damals naturgemäß schon sehr neugierig, ich bildete da keine Ausnahme. So kam ich eines Tages, es muss so um 1975/76 gewesen sein, darauf, mal an dem Küchenradio meiner Mutter herumzufummeln. Ich drückte die Taste [KW]. Und das war ein kleiner Wendepunkt in meinem Leben! Denn mit einem Mal kamen nicht mehr nur Musik und gut verständliche Sprache aus dem Lautsprecher des Gerätes. Da piepste, trillerte, quiekte es mit einem Male drauflos, dass es eine wahre Wonne war. Das war faszinierend für mich. Dann auch noch Menschen, die in unverständlichen Sprachen einher redeten… Das war nun nicht mehr nur faszinierend, das war völlig unglaublich! Was hatte ich da entdeckt? Damals konnte ich die gewonnenen Erkenntnisse noch nicht wirklich verarbeiten, ich war gerade fünf oder sechs Jahre alt. Aber ich hatte etwas entdeckt, dass ich unbedingt weiter erforschen musste.
Meine Eltern, allen voran meine Mutter, waren nicht sonderlich begeistert von meinem Entdeckerdrang, verstellte ich doch am Küchenradio immer wieder die Frequenz vom Stammsender, der zum Frühstück und zum Mittag gehört wurde: WDR 2. Nee, die Radios damals konnte man noch nicht programmieren. Die hatten nur eine Skala und einen Abstimmknopf. Damals stand in der Küche eben noch ein altes Nordmende Transita – Kofferradio, wie in Abbildung 1 zu sehen ist. Viel zu speichern gab es da nicht, es sei denn, man ging hin und markierte die wichtigen Sender mit einem Stift auf der Skala.
Immer wieder spielte ich an dem Empfänger herum und drehte an der Abstimmung, lauschte dem einen oder anderen fremden Signal. Und dann passierte eine weitere Absonderlichkeit: Mit einem Mal erklangen aus dem Empfänger lauter Zahlen, gesprochen von einer leicht zitterigen weiblichen Stimme. Was war denn das nun wieder? Ich lauschte und lauschte und lauschte. Was steckte dahinter? Was immer es auch war, ich erkannte zunächst, dass die Zahlen fünfstellig waren und jede dieser Zahlen zweimal verlesen wurde bevor die nächste Zahl gesprochen wurde. Das Besondere daran war, dass die Ziffer NEUN ein wenig merkwürdig ausgesprochen wurde. Die Frau im Radio sagte so was wie „Noichen“; mir damals völlig unverständlich, wie jemand sich erdreisten konnte, eine Zahl auf Deutsch anders auszusprechen, als ich das gelernt hatte.
Während dieser Zahlensendung tauchten neben den einzelnen Ziffern weitere Begriffe auf. So war mit einem Male das Wort „Achtung“ zu hören, dann noch der Begriff „Trennung“. Was war denn das nun schon wieder? Um mir einen Reim darauf zu machen musste ich das ganze aufschreiben und es später analysieren. Meine ersten Notizen über diese Zahlensendungen sahen damals noch reichlich wirr aus, etwa so:
Irgendwann fiel dann noch der Begriff „Ende“ und die Stimme der Frau verstummte. An ihre Stelle trat eine Folge von vier Tönen, ein in seine einzelnen Töne aufgelöster Dur-Akkord. Und diese „Melodie“ hielt an. Sie lief und lief und hörte erst zur vollen Stunde auf. Und die Frauenstimme wurde wieder hörbar. Sie verlas wieder fünfer Zahlengruppen, aber hinter jeder Gruppe war eine „Trennung“ zu hören. Dahinter folgten zwei einzelne Zahlen. Was sollte das denn jetzt schon wieder bedeuten?
Es dauerte eine ganze Weile bis ich hinter das Gros der Geheimnisse dieser Sendungen kam. Denn mehr als zehn Jahre sollte ich im Dunklen tappen. Auch wenn ich in dieser Zeitspanne tendenziell die richtigen Ideen hatte, sollte ich das Rätsel erst Anfang der 1990er Jahre zu einem Großteil gelüftet bekommen.
Zunächst entdeckte ich aber noch, dass auch das große Radio im Wohnzimmer meiner Eltern ein Empfangsteil für Kurzwelle besaß, sogar einen wesentlich erweiterten Frequenzbereich. Dieses Riesenteil, ein Grundig RTV-901 4D (in der Abbildung 2 ist eine abweichende Bauvariante zu dem Gerät meiner Eltern zu sehen), war zudem noch mit einer Kopfhörerbuchse ausgestattet und war dann auch gleich noch an die Dachantenne angeschlossen. Herz, was willst Du mehr? Der nächste große Vorteil lag in der Tatsache, dass ich wie wild auf Kurzwelle herumlauschen konnte, die Frequenzen beliebig verstellen konnte, ohne dass die Sender auf UKW erneut hätten eingestellt werden müssen. Das Gerät war auf seine Art und Weise programmierbar. Da zudem ein Kopfhörer zur Verfügung stand war klar, wie ich meine „Forschungen“ auf Kurzwelle fortsetzen würde.
Zwischenzeitlich ging der Nordmende Kofferempfänger meiner Mutter den Weg vieler Technik, nämlich kaputt! Ersatz kam aus dem Hause Philips, ein Cassettenrecorder mit Empfangsteil für Lang-, Mittel-, Kurz- und Ultrakurzwelle. Da ich schon damals mit Tonband-Cassetten Bescheid wusste war es somit ein leichtes, auch dieses neue Gerät (die Abbildung 3 zeigt einen Vorläufer des verwendeten Empfängers) für meine Expeditionen auf Kurzwelle zu verwenden. Mit den paar Cassetten, die ich damals schon besaß, fertigte ich erste Aufzeichnungen der Zahlensendungen an. Leider existiert keine einzige Aufnahme mehr aus dieser Zeit; alles kaputtgegangen durch Bandsalat oder ähnliche Schäden. Oder ich habe einige Aufnahmen in einem Anfall geistiger Umnachtung stumpf gelöscht und überspielt. Damals war auch noch nicht abzusehen, dass diese Sendungen irgendwann einmal von der Kurzwelle verschwinden würden. Mittlerweile sind sie es und ich besitze nur noch Fragmente dieser Tondokumente. Sehr bedauerlich!
Neben den Zahlen gab es dann aber immer noch die anderen Geräusche, die auf Kurzwelle zu hören waren. Es piepste, quietschte, ratterte, brummte und surrte nur so vor sich hin. Des Rätsels Lösung sollte ich auch erst 1989 erfahren. Jahrelang tappte ich im Dunkeln, auch wenn ich einige der Signale bereits als Morsezeichen deuten konnte. Was aber war mit dem Rest? Meine erste Intention war damals, dass es sich um Signale aus dem Weltraum handeln müsste. Ein Trugschluss, der sich aber eben erst viel später herausstellte..
Hier nun ein Beispiel, wie es klingt, wenn man mal so eine halbe Stunde lang (sic!) an einem einfachen Kurzwellenradio dreht:
MP3-Datei (8 kBit/s, 11025 Hz, 1811 kByte):
Näheres zu den Audiobeispielen im Kapitel „Geräusche“….
Bevor ich die Technik des Kurzwellenempfangs näher umreißen möchte und damit das Geheimnis der ganzen Geräusche lüfte erzähle ich Euch erst wie ich vom neugierigen Hörer zum Berufsfunker wurde.
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