Zahlen

Zahlen, nichts als Zahlen…..

Neben den fremdartigen Geräuschen, die ich bereits vorher erwähnte, kamen auch sehr gut verständliche Signale aus dem Empfänger. Egal, welchen ich nun nutzte. Zum einen war das Musik, fremdartige, manchmal fürchterliche, aber auch gut bekannte. Dazu die verschiedensten Sprachen dieser Welt, die alle irgendwie ihren Weg über die Antenne in dieses Radio gefunden hatten. Schlussendlich tauchten dann aber auch ganz schnell zwei verschiedene Sender auf, die nichts weiter ausstrahlten als Zahlen, fünfstellige Zahlengruppen. Nichts als Zahlen, Zahlen in endloser Kolonne, aber immer fünfstellig. Zahlen, verlesen von Frauen, teilweise aber so exakt im Timing, dass ich schon frühzeitig an Computer dachte.

Das war faszinierend! Schon früh als Bub machte ich mir so meine Gedanken über den Sinn und Zweck dieser Zahlensender. Ich kam zuerst zu keinem vernünftigen Ergebnis. Irgendwann fragte ich jedoch meinen Vater, was es denn mit diesen Signalen, diesen Sendungen auf sich hatte.

Er erklärte mir, dass es sich um Agentensender handele. Er wisse das aus einem Buch, das er mal gelesen habe. Leider weiß ich heute nicht mehr, welches er gemeint hatte; ist einfach zu lange her. Das klang für mich logisch. Ein Nachrichtendienst müsse natürlich ein starkes Interesse daran haben, dass die Informationen an seine Agenten in aller Welt unter allen Umständen uneingeweihten gegenüber unverständlich bleiben sollten – auch anderen Geheimdiensten gegenüber. Eine praktikable Lösung schien da die Verwendung von fünfstelligen Zahlenreihen. Allerdings war mein Großvater strikt gegen diese Annahme. Er habe, wie er mir erklärte, einmal im Fernsehen einen Bericht über den Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach gesehen, wo Wetternachrichten und Daten ebenfalls im fünfstelligen Zahlencode weitergegeben wurden.

Ich war verwirrt. Ich konnte nicht sofort erkennen, was tatsächlich richtig war. Denn, wie ich später erfuhr, beide hatten recht: Der DWD, wie auch weltweit andere Wetterdienste, arbeiten mit fünfstelligen Zahlen. Und auch diese werden per Kurzwelle verschickt, aber nicht in der Form, wie ich sie gehört hatte.

Zudem sprach gegen die Wetterzahlen der Umstand, dass nie doppelte oder annähernd ähnliche Zahlengruppen auftauchten. Denn wären es Wetterdaten hätte dies das eine oder andere Mal passieren müssen. Zudem wollte sich mir nicht erschließen, warum so unsensible Daten wie das Wetter in Deutschland verschlüsselt und extrem geheim gehalten werden sollten.

Letztendlich hatte ich mit dieser Annahme Recht, auch wenn Wetterdaten wirklich verschlüsselt wurden, obwohl nicht zum Zweck der Geheimhaltung. Die Verbreitung von Wetterdaten als fünfstellige Zahlenkolonnen dient lediglich einer international verständlichen und effektiveren Übermittlung. Jeder kann diesen Code mit einschlägiger Fachliteratur oder auch schon mit privat erhältlicher Software in anschauliche Wetterbilder umwandeln.

Aber das funktioniert nicht mit den gesprochenen Zahlen auf Kurzwelle. Hier war der Zweck ein völlig anderer, dessen wurde ich mir immer sicherer. Dann, nach einiger Zeit, genauer gesagt am 5. Mai 1986, waren es nicht mehr nur die beiden bisherigen Zahlensender, die ich empfing, sondern es gesellten sich immer mehr hinzu. So langsam musste ich mir ein System einfallen lassen, mit dem ich die ganzen Sender unterscheiden konnte.

eins

Abbildung 1: Die älteste noch existierende Zahlesendermitschrift – 21. März 1986, 10:00 Uhr MEZ

Die Frage, wer denn hinter diesen Sendungen steckte, war für mich aber zunächst nicht von Interesse. Sehr zum Leidwesen meiner Eltern war ich nur damit beschäftigt, jedwede Sendung aufzuschreiben, mir sämtliche Zahlen zu notieren, die ich ergattern konnte. Dazu verwendete ich damals zuerst noch einfache Ringbuchblätter. Alles wurde durchnummeriert, dazu Datum und Uhrzeit vermerkt. Die älteste noch existierende Aufzeichnung dieser Art (tatsächlich noch die # 1) stammt vom 21. März 1986, 10:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit (siehe Abbildung 1). Es handelte sich um eine Sendung des sog. „Lauf“-Dienstes. Ich nannte ihn so, weil er als Erkennungszeichen einen „Viertonlauf“ benutzte:

Eigentlich handelte es sich um einen in seine vier Einzeltöne aufgelösten Dur-Akkord. Der zweite Zahlensender identifizierte sich durch eine Gongfolge und war sowohl zur vollen als auch zur halben Stunde zu hören; der Lauf arbeitete nur zur vollen Stunde.

Da ich die beiden ersten Dienste schon nach ihren Erkennungszeichen benannt hatte setze ich dieses System zunächst fort. So tauchten nach dem LAUF und dem GONG dann als nächstes noch BUCH, WETTER und sein englischsprachiges Pendant WEATHER auf. Und was bedeuteten diese Namen nun?

Die ersten beiden Dienste waren auf Kurzwelle relativ leicht zu identifizieren. Der eine ließ vor Beginn seiner Sendungen eine Viertonfolge bzw. Vierton-„LAUF“ aussenden. Zu Anfang lief diese Tonfolge von Sendungsende bis zum Beginn der nächsten Sendung durch. Außer vor der ersten, da begann die Tonfolge erst fünf Minuten vorher. Später dann begann die Tonfolge immer erst um fünf vor; wohl aus Gründen der Betriebskostenreduzierung….

So klang das Intro (hier eine Aufnahme von 1972, dank an Simon Mason für dieses Klangbeispiel):


Der zweite Dienst ließ eine Abfolge von Gong-Tönen erklingen, immer jeweils zehn Minuten vor Beginn einer Sendung. Dieses Beispiel stammt aus dem Jahr 1973 (Dank dafür an Simon Mason):


Ein weiterer Unterschied zwischen diesen beiden Diensten war die verwendete Frauenstimme. Klang die LAUF – Frau recht niedlich und sanft in der Stimme war die GONG – Frau eine vermutlich im Ausland geborene Sprecherin, denn die Zahlen kamen zum Teil recht fremdartig ausgesprochen herüber. So klang die Aussprache der Ziffer 0 eher wie NUHL, die 4 kam wie eine VIERRRRRR daher und die 2 wurde als kurze und zackige ZWO ausgesprochen. Irgendwie brannte sich mir das Bild einer uniformierten Matrone aus einem schlechten Kriegsfilm ins Gedächtnis. Damit lag ich im Prinzip gar nicht so falsch…

Aber auch die LAUF – Dame hatte so einige Eigenarten bei der Aussprache der Zahlen. Auch hier war die 2 eine ZWO, klang aber wesentlich weicher. Bedeutsamstes Merkmal war die Aussprache der Ziffer 9. Sie wurde in eine merkwürdig anmutende „NOIJEN“ umgewandelt.

Ich verstand nicht, warum das geschah. Heute weiß ich natürlich, dass dies der sicheren Übertragung diente. Denn auf der störanfälligen Kurzwelle ließen sich eine Zwei und eine Drei oder eine NEUN und eine NULL leicht miteinander verwechseln. Darum wurde aus der Zwei eine Zwo und aus der Neun eine Noijen.

Es gab einen weiteren Unterschied zwischen diesen beiden Diensten: Die stark voneinander abweichenden Sendezeiten. Der LAUF – Dienst war leicht zu verfolgen, denn er hatte jeweils morgens und abends zwei verschiedene Sendepläne auf jeweils zwei verschiedenen Frequenzen. Morgens waren dies 6453,0 kHz und 5820,0 kHz. Dabei begannen die Sendungen um 9:00 Uhr Ortszeit (egal ob Winter- oder Sommerzeit) auf 6453,0 kHz. Die zweite Sendung erfolgte um 10:00 Uhr und die dritte um 11:00 Uhr auf der gleichen Frequenz. Um 11:00 wurde dann auf 5820,0 kHz die 9:00 Uhr – Sendung von 6453,0 kHz wiederholt. Analog dazu war die zweite Sendung um 12:00 und die dritte um 13:00 Uhr.

Abends verhielt es sich in etwa ähnlich. Die Frequenzen waren 3217,0 und 3820,0 kHz und die Sendungen (diesmal vier an der Zahl) begannen zur Erstaussendung um 18:00 auf 3217,0 kHz und zur Wiederholung um 20:00 auf 3820,0 kHz. Im Gegensatz zu den Vormittagssendungen waren die abendlichen Ausstrahlungen länger und es wurden mehr Agenten versorgt. Aber dazu später mehr. Dieser Zeitplan veranschaulicht das Sendeschema dieses Dienstes samt der Wiederholungen:t
g08table

Hier mal ein Klangbeispiel für eine Sendung des LAUF – Dienstes. Das Beispiel ist zusammengeschnitten – die Präambel wurde verkürzt, die Programmvorschau ebenso. Aber es kommen alle wesentlichen Elemente darin vor:

Mein Dank geht an Simon Mason für dieses Klangbeispiel.

Auch der GONG – Dienst hatte ein morgendliches und ein abendliches Programm. Morgens war der Sender auf 6410,0 und 5410,0 kHz tätig, abends auf 3258,0 kHz. Im Gegensatz zum LAUF begannen die Sendungen aber nicht nur zur vollen Stunde sondern auch um halb. Zudem wurden auch weniger Agenten mit ebenso kürzeren Nachrichten versorgt. Die Zeiten, so wie ich sie noch vorliegen habe, sind (farbige Felder bedeuten eine Sendung, Wiederholungen waren zufällig und folgten soweit mir bekannt keinem festen Plan):
g03sked
(1): Es liegen keine gesicherten Erkenntnisse über diesen Slot vor, aber viele Hinweise im Internet deuten auf eine Sendung zu dieser Uhrzeit hin.

Leider gibt’s da also noch Lücken, die ich aktuell zu schließen versuche. Ich bitte daher noch um Geduld.

Beide Dienste bedienten sich – wie bereits erwähnt – fünfstelliger Zahlen. Jedem Agenten wurde die Anzahl dieser Zahlengruppen, die ihm übermittelt werden sollten, bekannt gegeben. Beim LAUF – Dienst lag die Länge zwischen zwei und bis zu 70 Gruppen. Zumindest bewegen sich meine Aufzeichnungen innerhalb dieser Dimensionen.

Beim GONG – Dienst kam es nicht zu so langen Nachrichten. Die längsten Botschaften lagen um die 45 Gruppen. Aber das war eher die Ausnahme. In der Mehrheit der von mir mitverfolgten Übertragungen waren Spruchlängen von etwa 20 bis 30 Gruppen typisch.

Auch unterschieden sich die Sendeformate beider Dienste. Der LAUF begann seine Sendungen immer mit einer Art „Programmübersicht“. Es wurden alle Agenten genannt, für die Verkehr vorlag, dazu die ungefähre Minutenzeit nach der vollen Stunde, wann ihre Nachricht in etwa begann. Sehr komfortabel eigentlich. Ein Beispiel für eine solche „Programmübersicht“ sieht so aus:

12751 – 05
40012 – 06
82150 – 08
12033 – 09
45757 – 12
66626 – 16

Der Bindestrich „-“ wurde als „Trennung“ verlesen. Diese Übersicht wurde ständig bis etwa viereinhalb Minuten nach der vollen Stunde wiederholt. Dann wurde um Punkt fünf nach der erste Agent aufgerufen und seine Nachricht begann:
Achtung
12751 – 08
Achtung
12751 – 08
34201
34201
18909
18909
20060
20060
04788
04788
54879
54879
09078
09078
69812
69812
06303
06303

Achtung
40012 – 18
Achtung
40012 – 18
[…]

Hier bekam der Agent nun nicht mehr eine Minutenangabe zu hören, sondern die exakte Gruppenzahl (acht Gruppen im obigen Beispiel). Jede Gruppe wurde zweimal verlesen, dann kam die nächste. Das zog sich dann fortlaufend hin bis etwa 24 Minuten nach der vollen Stunde. Dann folgte das Wort „Ende“ und der Sender wurde kurz danach abgeschaltet. Selten, dass die Sendungen länger als bis 24 Minuten nach der vollen Stunde liefen.

Beim GONG sah das Schema ein wenig anders aus. Zwar hatte auch dieser Sender eine „Programmvorschau“, aber sie unterschied sich in zwei wesentlichen Dingen von der des LAUF – Dienstes (mal abgesehen davon, dass der GONG eben nicht nur zur vollen Stunde sendete):
1. Die Agenten bekamen gleich die Gruppenzahlangabe anstelle einer Anfangszeit und
2. richtete sich die Länge der „Programmvorschau“ nach der Anzahl der zu versorgenden Agenten.

Man konnte eine recht genaue Faustformel für die Länge der GONG – Programmvorschau festhalten: Je Agent dauerte die „Programmvorschau“ dreißig Sekunden. Also bei zwei Agenten dauerte sie 1 Minuten, bei drei Agenten anderthalb Minuten, bei fünf Agenten dauerte sie 2:30 Minuten und so weiter. Im Mittel wurden jedes Mal etwa drei bis vier Agenten versorgt. Sechs habe ich nur ein einziges Mal erlebt. Eine Programmvorschau sah also beispielsweise so aus:
Achtung
09098 – 13
45000 – 9
76663 – 12

Achtung
09098 – 13
[…]

Dies wurde dann also bis z.B. 10:31’30 wiederholt – wenn die Sendung denn um 10:30’00 begonnen hatte. Außerdem wurde die Nachricht eines Agenten mit einem „Ende“ abgeschlossen. Am obigen Beispiel könnte dann also die Nachricht für 45000 so gelautet haben:
Achtung
45000 – 9
45000 – 9
Achtung
20390
20390
13862
13862
09017
09017
33617
33617
40541
40541
87987
87987
53192
53192
63188
63188
60201
60201
Ende

Achtung
76663 – 12
76663 – 12
Achtung
[…]

Erst zum Ende der gesamten Sendung kam dann zweimal das „Ende“ und einmal wurde die Gongfolge abgespielt.

Hier noch ein Beispiel, wie denn so eine Sendung des GONG ablief. Es ist wieder ein Zusammenschnitt mit Gong, der Programmvorschau und allen Betriebszeichen. Auch dieses Beispiel geht wieder auf das „Konto“ von Simon Mason:


Der BUCH – Dienst erhielt seinen Namen von der aus zwei Buchstaben im NATO-Alphabet bestehenden Präambel, die jeder Sendung voraus ging. Dazu ertönte eine Art Flötenmelodie, die immer wieder unterbrochen wurde. In diesen Pausen wurden dann die beiden Buchstaben verlesen, zum Beispiel GOLF KILO. Diese wurden viermal verlesen, dann setzte wieder die Melodie ein. Nun ja, die Melodie klang eher wie ein verrückt gewordenes Spielzeugkeyboard von Casio…. Sendebeginn war entweder die volle oder die halbe Stunde. Die Präambel aus Melodie und Buchstaben dauerte fünf Minuten.

Nach diesen fünf Minuten wurden dann die Agenten aufgerufen, für die Nachrichten vorlagen. Das hörte sich dann in etwa so an:
Es liegen Mitteilungen vor für

043 043, 72 Gruppen
905 905, 32 Gruppen

Achtung
043 043, 72 Gruppen
283 30
283 30
052 69
052 69
517 88
517 88
[…]

Hier werden schon einige gravierende Unterschiede zu GONG und LAUF sichtbar. Denn die Agenten sind nur dreistellig, es wird nicht mit dem Betriebszeichen „Trennung“ gearbeitet, es heißt nicht NULL sondern „SERO“ und die fünfstelligen Gruppen wurden im Format 3+2 verlesen, also mit einer kleinen Pause dazwischen. Hier mal wieder ein passendes Beispiel:

Die Aufnahme stammt vom 18. Januar 1998 und wurde gegen 23:32 Ortszeit in Flensburg aufgenommen. Das Beispiel setzt also etwa auf der Hälfte der Präambel ein und gibt eine komplette Sendung an den Agenten 571 wieder. Er erhält eine Nachricht mit 67 Zahlengruppen. Leider pfeift es im Hintergrund bei dieser Aufnahme, ich konnte die Störung nicht komplett herausfiltern.

Von diesem Sender gab es eine ganze Reihe Ableger, die sich durch die Buchstaben-Präambel unterschieden. Am häufigsten trat PAPA NOVEMBER in Erscheinung. Diese Kennung hatte – im Gegensatz zu den anderen – einen festen Sendeplan: Täglich um 0:00, 0:30, 6:00, 6:30, 12:00, 12:30, 18:00 und 18:30. Wobei die h:30 – Sendung immer einer Wiederholung der vorigen Sendung zur jeweiligen vollen Stunde war.

Bekannt sind aber auch die beiden Stationen DELTA FOXTROTT CHARLY 37 und DELTA FOXTROTT DELTA 21. Hier handelt es sich nicht um die üblichen 2er Buchstabenkombinationen sondern um tatsächlich amtlich zugelassene internationale Rufzeichen, wie sie Deutschland zugewiesen sind. Gemäß der damaligen Rufzeichenliste der ITU waren diese Rufzeichen der Deutschen Bundespost (heute Deutsche Telekom AG) zugewiesen. Tatsächlich dürfte es sich dabei aber um jemand anderen gehandelt haben. Um wen versuche ich später zu klären.

Jedenfalls sendeten DFC37 und DFD21 täglich nach einem festgelegten Schema. Beide Stationen sendeten zwischen 15:00 und 22:00 Uhr Weltzeit. Das ist die Zeit, die am Null-Meridian in Greenwich/London herrscht. Zu unserer Winterzeit liegt sie um eine Stunde, zu unserer Sommerzeit um zwei Stunden hinter unserer Zeit. Haben wir also im Januar 15:30 in Deutschland ist es 14:30 Weltzeit. Im Juli wäre es dann 21:45 Weltzeit, wenn es bei uns 23:45 Uhr ist. Die Weltzeit wird auch GMT, UTC oder Zulu-Zeit genannt. Doch zurück zu DFC37 und DFD21. Beide Stationen tauschten ihre Nachrichten untereinander aus, so dass sie gegenseitig Wiederholungen der Sendungen des anderen ausstrahlten. Ein festgelegtes Schema, so es denn eines gab, ist mir nicht bekannt. Gesendet wurde auf 3370,0 kHz (DFC37) und 4010,0 kHz (DFD21). Auch hier folgte zwischen dem Rufzeichen die elektronische Flötenmusik.

Weitere Buchstabenkombinationen waren:
Alpha Lima, Alpha Uniform, Bravo Lima, Bravo November, Charlie Delta, Delta Alpha, Delta Mike, Echo Hotel, Echo Lima, Foxtrott Sierra, Hotel Kilo, Juliet Whisky, Kilo Golf, Lima Golf, Lima Romeo, Lima Uniform, Mike Delta, November Lima, November Uniform, Papa Delta, Romeo Delta, Romeo Kilo, Sierra Bravo, Victor Bravo, Victor India, Victor Oscar, Whisky Lima, X-Ray Lima, Yankee Bravo (das war die erste Kombination, die ich je aufnahm -> 5. Mai 1986), Yankee Sierra.
Ob es darüber hinaus noch weitere „Rufzeichen“ gab kann ich nicht sagen. Aber darüber gibt es im Internet reichliche Informationen (z.B. die Webseite von Simon Mason oder von Ary Boender). Zudem waren auch nicht alle Sendungen in Deutsch sondern es wurden auch englische Übertragungen gehört. Darüber hinaus war ein Großteil der Sendungen wahrscheinlich auch mit Richtstrahlantennen aus Deutschland heraus in Gebiete nach Übersee abgestrahlt worden, so dass ein Empfang im eigenen Lande schwer war; vor allem auf den höheren Frequenzen.

Auf diesen Frequenzen war dieser Dienst zu hören (alle Frequenzen in kHz):
 2690,0 /  2707,0 /  2745,0 /  3228,0 /  3262,0 /  4543,0 /
 4594,0 /  4773,0 /  4821,0 /  4888,0 /  5015,0 /  5182,0 /
 5284,0 /  5732,0 /  5770,0 /  6370,0 /  6765,0 /  6853,0 /
 7407,0 /  7532,0 /  7661,0 /  7740,0 /  7752,0 /  7858,0 /
 8063,0 /  8173,0 /  9040,0 /  9325,0 /  9450,0 / 10170,0 /
10177,0 / 10460,0 / 10500,0 / 10740,0 / 11108,0 / 11545,0 /
11617,0 / 12092,0 / 12210,0 / 12314,0 / 13362,0 / 13413,0 /
13752,0 / 13775,0 / 13890,0 / 14622,0 / 14945,0 / 15610,0 /
16055,0 / 16220,0 / 16414,0 / 17430,0 / 18195,0 / 18575,0 /
19295,0 / 19755,0 / 20240,0 / 20350,0 / 20675,0 / 22885,0 //

Die Zeiten waren aber bei den meisten dieser Dienste eher schwer herauszufinden; im Gegensatz zu den Beispielen von oben (PAPA NOVEMBER und DFC37 und DFD21). Hier musste man halt zu jeder vollen und halben Stunde alle Frequenzen einmal durchprobieren.

Völlig aus diesem Schema heraus ragten die beiden Dienste WETTER und WEATHER. Beide benutzten dasselbe Format für die Präambel und die Nachrichten selbst. Warum ich diese Namen verwendete? Nun, ich wurde wieder an die Behauptung meines Großvaters erinnert, dass es sich um Wetterinformationen handelt. Mit Wetterinformationen hatte das Ganze aber nun wirklich nichts zu tun – es waren eben von mir eingesetzte Namen. Beide Dienste verwendeten Nachrichtenlängen von nicht selten über 150 Gruppen! Dabei verwendete WETTER die deutsche und WEATHER die englische Sprache. Ansonsten war alles gleich (zu 100% war der Betreiber sogar der gleiche), warum ich dann auch nur den WEATHER – Dienst näher anspreche. Dennoch möchte ich Euch das deutsche Derivat nicht vorenthalten und habe hier einige Klangbeispiele dazu. Mein Dank dafür geht wiederum an Simon Mason, von dem ich die Aufnahmen habe.

Die bekannteste Stimme des WETTER – Dienstes:

Eine spätere Abwandlung war dann mit dieser Stimme zu hören:

In der Anfangszeit tauchte der Sender noch mit dieser Stimme auf:

Grundsätzlich begannen diese Dienste ihre Sendungen immer zur vollen Stunde. Und je nach Länge der Nachrichten endeten diese nicht selten erst um h+50! Die Präambel dieses Dienstes war zehn Minuten lang. Darin wurde dreimal der dreistellige Agent verlesen und dann von 1 nach 0 gezählt. Hier ein Beispiel:

700 700 700 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0
700 700 700 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0
700 700 700 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0

Diese Aufnahme stammt vom 19. Februar 1999 und wurde beginnend um 13:59 UTC (14:59 Uhr deutscher Zeit) gemacht. Die Präambel wiederholte sich bis zehn nach. Dann folgten zehn Töne und die Gruppenzahlangabe wurde verlesen. Danach begann die Nachricht:

351 351 351 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0
351 351 351 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0
[Ton] [Ton] [Ton] [Ton] [Ton] [Ton] [Ton] [Ton] [Ton] [Ton]
Count 80
Count 80
865 77
954 60
777 03
188 28
[…]
611 14
374 12
End
Repeat

865 77
954 60
777 03
188 28
[…]
611 14
374 12
End

In diesem Beispiel (3. März 2002, 1808 UTC) liegt also eine Nachricht mit 80 Gruppen vor. Jede Gruppe der Nachricht wurde zunächst nur einmal verlesen, bis die Nachricht einmal durch war. Danach folgte einmal das Betriebswort „End“ und direkt das Betriebswort „Repeat“. Dann wurde die Nachricht ein weiteres Mal verlesen. Auf den folgenden Frequenzen war der Dienst (WETTER und WEATHER) aktiv (alle Angaben in kHz):
 4011,0 /  4538,0 /  4840,0 /  5137,0 /  5153,0 /  5175,0 /
 5317,0 /  5413,0 /  6365,0 /  6780,0 /  6784,0 /  6797,0 /
 6849,0 /  6891,0 /  6920,0 /  6950,0 /  6960,0 /  6970,0 /
 7375,0 /  7410,0 /  7547,0 /  7585,0 /  7600,0 /  7620,0 /
 7654,0 /  7770,0 /  7907,0 /  8014,0 /  8080,0 /  8085,0 /
 8110,0 /  8125,0 /  8143,0 /  9049,0 /  9070,0 /  9090,0 /
 9219,0 /  9453,0 / 10247,0 / 10321,0 / 10423,0 / 10527,0 /
10529,0 / 10583,0 / 10597,0 / 10716,0 / 11034,0 / 11070,0 /
11072,0 / 11470,0 / 11491,0 / 12125,0 / 12175,0 / 12197,0 /
12221,0 / 13450,0 / 13465,0 / 13555,0 / 13874,0 / 13906,0 /
13996,0 / 14420,0 / 14577,0 / 14739,0 / 15732,0 / 15822,0 /
15895,0 / 16086,0 / 16090,0 / 16198,0 / 16273,0 / 18616,0 /
19622,0 //

Seit etwa 2003 ist der Dienst verstummt. Es ist offensichtlich effektiver geworden, Nachrichten per Internet an die Agenten zu schicken als teure Kurzwellen-Sendungen zu benutzen.

Und wer steckt nun dahinter? Ich hatte bereits eingangs darüber spekuliert. Wetterdienste schieden aus, weil es in dieser Form keinen Sinn machen würde, Wetterdaten zu verschicken. Es gab und gibt effektivere Methoden (Funkfernschreiben etc.). Am wahrscheinlichsten waren die Geheim- bzw. Nachrichtendienste. Und durch ein historisches Ereignis wurde mir diese Sache quasi bestätigt. Als 1990 die Wiedervereinigung vollzogen wurde waren auf einmal LAUF und GONG verstummt! Lustigerweise existiert eine Aufnahme von der wirklich allerletzten GONG-Sendung: Der Kalte Krieg war für die Betreiber wohl zu ende, denn sie waren arbeitslos. Aber diesen Gag konnten sie sich wohl nicht verkneifen. Ein letztes Mal ertönte der Gong an jenem Mittwoch, 9. Mai 1990, und dann war eine männliche Stimme zu hören: „Hier ist die Sendung für das aufgeweckte Kind.“ Und ein kleiner Chor wohl angetrunkener Männer sang das Kinderlied „Alle meine Entchen“.
Und so klang das Ganze:

Ich bitte, die schlechte Tonqualität zu entschuldigen. Mein Dank für diese Klangdatei geht an Jochen Schäfer und Simon Mason.

Im Nachhinein betrachtet ergibt diese letzte Sendung allerdings doch noch einen tieferen Sinn: Politisch waren sich Bundesrepublik und DDR einig, dass es zu einem Staatenzusammenschluß kommt (3. Oktober 1990). Das sollte auch „das aufgeweckte Kind“ mittlerweile wissen. Dass die Agenten dieses Dienstes (siehe unten) im „Schwimmen“ begriffen waren liegt auf der Hand: Was sollte aus ihnen werden, wenn die Einheit vollzogen ist? Mussten sie mit Strafverfolgung rechnen? Es schien aus heutiger Sicht ratsamer gewesen zu sein, entweder abzutauchen (Köpfchen in das Wasser) oder sich den neuen Gegebenheiten anzupassen – eine 180° Wendung mit Köpfchen im Wasser und Schwänzchen in der Höhe. Es gibt noch weitere Deutungen dieser letzten Sendung. Aber allesamt sind sie, wie meine eben genannte, reine Spekulation. Vielleicht war es wirklich nur ein Witz einer Hand voll betrunkener Offiziere…

Und damit komme ich zum Betreiber. Denn Offiziere waren es, die den Dienst sendeten: Der GONG war der Nachrichtensender der NVA bzw. der Militärspionage der DDR. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass der lange Arm der GRU, des sowjetischen Militärgeheimdienstes, dahinter gesteckt hat und die NVA hier nur das ausführende Organ dargestellt hat. Außerdem gilt es heute als gesichert, dass das Ministerium für Staatssicherheit bei der militärischen Spionage (Hauptverwaltung Aufklärung – HVA) kräftig mitgemischt hat. Die Sendungen des GONG kamen aus der Nähe von Angermünde im heutigen Brandenburg.

Dagegen war der LAUF das Nachrichteninstrument des Ministeriums für Staatssicherheit, MfS. Die Sendungen dieses Dienstes kamen in den Anfangsjahren der Sendungen noch aus Berlin, später dann aus Zeesen – von dort wurde auch die letzte Sendung am 9. Mai 1990 ausgestrahlt. Dass die ehemalige DDR dahintersteckte wurde klar, als auf den bekannten Frequenzen die beiden Signale dann mit einem Mal nicht mehr zu den bekannten Zeiten zu hören waren!

Es gibt in diesem Zusammenhang eine interessante Pressemitteilung der DPA:

„[…] Eingeleitet wurden diese Sendungen durch einen Gong, der einige Zeit erklang. Dann war auf der Kurzwellenfrequenz 3220 kHz (Anm.: Tatsächlich aber 3258 kHz) eine synthetische Stimme zu hören, die Zahlen in den unterschiedlichsten fünfstelligen Kombinationen verlas, z.B. Eins, Sieben, Fünf, Drei, Acht. Hochgradig verschlüsselte Nachrichten aus Ost-Berlin an die Agenten in der benachbarten Bundesrepublik und das angrenzende westliche Ausland. Wie immer erwartete man beim Bundesnachrichtendienst und anderer Geheimdienste die täglichen Sendungen auf den bekannten Frequenzen. Aber sie kamen nicht mehr. An diesem Donnerstag blieb die Stimme der Spionage für immer stumm.[…]“

Und mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) steht auch die Quelle der BUCH – Sendungen fest. Diese Sendungen ließen sich inzwischen allesamt auf den BND festlegen. Es musste irgendwann einmal eine kleine undichte Stelle in Pullach, der Zentrale des BND, gegeben haben, denn im Netz tauchten Zitate von einem hohen BND-Offizier auf, der einem Reporter gegenüber zugegeben haben soll, dass diese Sendungen über Sender in Husum, Frankfurt und aus der Nähe von Bonn (Monschau???) stammten. Dies deckte sich mit den Kreuzpeilungen begeisterter Funkamateure aus Spanien, Frankreich, den USA und England, deren Beobachtungen somit verifiziert waren. Der BND sendete aber nach dem Fall der Mauer und trotz der deutschen Wiedervereinigung zunächst weiter. Doch 1999 war dann auch für Pullach Schluss mit der Kurzwelle.

Das deutsche Derivat des WEATHER – Dienstes blieb seit etwa 1995 stumm. Lediglich die englische Schwester war noch bis 2003 zu hören. Was lag bis dato dann näher, als die CIA, den amerikanischen Auslands-Geheimdienst, hinter diesen Sendungen zu vermuten. Tatsächlich bestätigten inzwischen verschiedene Internet-Quellen diesen Verdacht. Denn als Sendestandort wurde nicht nur die USA bekannt (Remmington in Virginia), sondern auch ein Standort in Deutschland. In der Nähe von Frankfurt am Main gibt es eingezäuntes Gelände, auf dem Kurzwellen-Antennen stehen. Das Areal wurde als Privatgelände ausgewiesen, man sah aber des Öfteren amerikanische Soldaten dort Kontrollen durchführen. Kreuzpeilungen von ausländischen Amateurfunkern und Kurzwellenhörern verwiesen bei einigen der WEATHER – Sendungen immer wieder in die Nähe von Frankfurt. Was lag also näher als die europäische Sektion der CIA dahinter zu vermuten? In den verschiedenen amerikanischen Kasernen auf bundesdeutschem Boden ließe sich leicht eine Einrichtung der CIA unterbringen. So auch in der U.S.-Botschaft in Berlin…

Es gibt auch eine Sendung des Deutschlandfunks vom 16. September 2003 (19:15 Uhr), die sich mit Zahlensendungen beschäftigt. Hier kommt der ambitionierteste deutsche Zahlensenderjäger, Jochen Schäfer, zu Wort und die Redakteure des DLF decken noch weitere Details auf. Die Aufnahme dauert etwa 45 Minuten und die Datei ist etwa 8 Megabyte groß. DLF, 16. September 2003, 19:15 Uhr:


Weitere Fundstellen im Internet (gleichzeitig Quellennachweis):

Auf diesen Seiten lassen sich weitaus mehr Informationen und Hinweise auf Zahlensender finden. Ich habe hier gerade mal an der Oberfläche der ganzen Thematik gekratzt. Denn wer glaubt, die Zahlensender seien inzwischen verstummt, der irrt ganz gewaltig. Es sind nicht mehr viele „Player“ auf dem Spielfeld der Kurzwelle. Polen ist noch aktiv, Ägypten, China, Nord- und Südkorea, aber allen voran Russland. Moskau hat nie von der Kurzwelle abgelassen – selbst als andere Zahlensender verstummten oder ihr Verhalten radikal änderten. Und seit Putins Irrungen und Wirrungen sind die russischen Zahlensender aktiver denn je! Selbst die ehemalige Stimme des „LAUF“-Dienstes ist immer noch im Äther zu vernehmen.

Wenn gewünscht führe ich das Thema gerne weiter aus. Eventuell werde ich noch weiteres Material hier auf dieser Seite einfügen (Grafiken, Fotos etc.). Andernfalls würde ich gerne auf das Zahlensender-Portal des UTDX-Wikis verweisen und den Sendeplan auf der Seite von PRIYOM.ORG.

So, nun habe ich aber genug theoretisiert und mit Fachwissen um mich geworfen. Was meint Ihr, wollen wir mal an den Empfänger gehen und entdecken, was es auf der Kurzwelle so zu hören gibt? Dann folgt mir ins Shack und wir schreiben ein paar Logs…